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Auf Kurzbesuch im Yosemite National Park

Der Wind, der Wind, das himmlische Kind − Um von Osten in den Yosemite National Park zu gelangen, muss man den fast 3000 m hohen Tioga Pass überqueren. Sobald der erste Schnee kommt, wird die Strasse für den Winter geschlossen. Wir haben Glück; die Strasse ist trocken und somit offen. Gestern Abend wurde sie vorübergehend geschlossen, da die Wetterprognosen Schnee voraussagten.

Langsam kämpft sich Nanuq die Passstrasse hoch. Kurz nach dem Parkeingang durchfährt man Tuolumne Meadows, ein Hochlandgebiet mit Wiesen, Flüssen und kleinen Seen. Die Gegend ist sehr idyllisch und schön. Leider sind wir für das vielgepriesene Blütenmeer der Wiesenblumen ein paar Monate zu spät hier. Es ist eisig kalt und der Wind bläst ununterbrochen. Langsam haben wir genug davon... Zum Glück ahnen wir nicht, dass uns Wind und Kälte in den nächsten Monaten fast täglich begleiten werden.

 

Pro und Contra − Der bekannteste Abschnitt des Yosemite Nationalparks ist das gletschergeformte Yosemite Valley. Ein durch Gletscher geformtes Tal ist anhand seiner U-Form von einem flussgeformten Tal (V-Form) zu unterscheiden. Das Yosemite Valley ist berühmt für seine Wiesen, Wasserfälle und die beiden markanten Granitfelsen El Capitan und Half Dome. Wir besichtigen den Bridaveil Fall, der zu dieser Jahreszeit, wie die meisten anderen Wasserfälle auch, kaum Wasser führt. Beim Lower Yosemite Fall ist’s gar nur ein kleines Rinnsal, welches sich die rund 100 m hohe Felswand hinunterstürzt. Für einen Besuch im Yosemite Nationalpark im November sprechen die buntgefärbten Blätter der Bäume.

 

Problemmenschen oder Problembären? − Im Visitor Center erkundigen wir uns über die Wetterprognosen für heute Nacht. Die Wahrscheinlichkeit für Schneefall liegt bei etwa 60%. Was sollen wir tun? Wir wollen den Park via Tioga Pass auf dem gleichen Weg verlassen, wie wir ihn erreicht haben. Die anderen Zufahrten befinden sich alle auf der Westseite der Sierra Nevada. Auf dem Weg zu unserem nächsten Ziel, dem Death Valley, müssten wir so die Gebirgskette südlich umfahren. Das würde nicht nur einen mehreren hundert Kilometer langen Umweg bedeuten, sondern auch eine landschaftlich weit weniger reizvolle Route darstellen.

Ein Ranger erleichtert uns die Entscheidung, als er uns auf das Bärenproblem im Park aufmerksam macht. Auf den Campgrounds im Park kommt es fast jede Nacht zu einemoder mehreren Zwischenfällen, in denen Bären in Zelte und Autos eindringen. Dabei hat Meister Petz normalerweise nicht den Menschen, sondern dessen Essensvorräte im Visier. Das agressive Verhalten der Bären ist darauf zurückzuführen, dass früher Parkbesucher die niedlichen Tiere gefüttert haben. Heute ist dies zwar verboten und wird mit einer Busse bestraft, aber jene Bären, die bereits an den Menschen gewöhnt sind und ihn mit Futter in Verbindung bringen, sind kaum mehr von ihrem Verhalten abzubringen. Und eine Bärenmutter gibt ihren Jungen die erfolgreiche Methode zur Futterbeschaffung weiter. Die Auswirkungen einer solchen Entwicklung bekommen auch die Bewohner um den Lake Tahoe zu spüren. So hat uns Brooke erzählt, dass jährlich mehrere dutzend Bären in Häuser eindringen, um Kühlschränke und Vorratskammern zu plündern.

Um nächtlichen Besuch von Meister Petz zu vermeiden, werden die Parkbesucher im Yosemite von den Rangern aufgefordert, alles Riechende (Essen, Hygieneartikel) in den zur Verfügung gestellten Metallboxen zu versorgen und abzuriegeln. So krass haben wir die Bärenproblematik auf der ganzen Reise nirgends erlebt. Klar sollte man auch in Canada und Alaska keine Futtervorräte und/oder ähnliches draussen oder im Zelt herumliegen lassen. Im Auto war man aber überall sicher.

Uns sch... es an, alles Riechende aus dem Auto zu verbannen. Das Ein- und Ausräumen würde uns bestimmt je eine Stunde Zeit kosten. (Wegen des beschränkten Platzangebotes in unserem Auto nutzen wir jede noch so unzugängliche Ecke, um etwas zu verstauen.) Wir beschliessen deshalb den Park noch am selben Abend wieder zu verlassen. So sind wir auch wettertechnisch auf der sicheren Seite.

Auf der Fahrt Richtung Tioga Pass verschlechtert sich das Wetter zusehends. Dichter Nebel zieht auf und reduziert die Sicht auf ein Minimum. Es riecht regelrecht nach Schnee und bestätigt uns in unserer Entscheidung den Park zu verlassen. Wir verbringen eine weitere winddurchrüttelte Nacht in Lee Vining.